Das Abdomen ist einer der spitzenmedizinischen Schwerpunkte des Ordensklinikum Linz. Die Interne IV am Ordensklinikum Linz feierte am 1. Juli 2021 ihr 20-jähriges Bestehen. Ein Blick auf die aktuell großen Themen des Fachs.
In den letzten 20 Jahren hat sich sowohl in der Gastroenterologie und Hepatologie im Allgemeinen als auch im Speziellen in der Abteilung Interne IV des Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern vieles verändert. Im folgenden Artikel fasst Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer Schöfl, Leiter der Interne IV, die Neuigkeiten aus seinem Fachbereich zusammen.
Hepatitis C: Initiative gegen Neuinfektionen
„Die Hepatologie hat in den letzten 20 Jahren insbesondere mit der Hepatitis-C-Infektion zu kämpfen. Das Virus wurde 1989 entdeckt, seit etwa 2014 gibt es Medikamente, mit welchen die Infektionskrankheit mit einer circa 95-prozentigen Erfolgsrate geheilt werden kann“, schildert Prim. Schöfl. Dennoch bleibt die Prävalenz von Hepatitis C ein weltweites Problem. Die WHO hat sich bis 2030 die Ziele gesetzt, die Zahl der Neuinfektionen um 90 % zu senken und die Todesfälle um 65 % zu reduzieren. „Neuinfektionen zu verhindern, ist in unserem hochentwickelten Gesundheitssystem kein leichtes Unterfangen. Blutprodukte haben wir sehr gut im Griff, nicht jedoch die Übertragungen in sozialen Randgruppen“, gibt Prim. Schöfl zu bedenken. Um die Infektionsketten zu unterbrechen, seien Initiativen in Gefängnissen, in Obdachlosenunterkünften und in der Suchtmittelszene erforderlich. Aktuell etabliert die Interne IV des Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern gemeinsam mit anderen Krankenhausabteilungen des Landes ein Hepatitis-C-Programm in Oberösterreichs Justizanstalten. „Im Rahmen von Videoambulanzen beraten Spezialisten aus dem Krankenhaus sowohl Anstaltsärzte als auch Patienten mit erhöhten Leberwerten hinsichtlich Diagnose und Therapie. Mit diesem Vorgehen bin ich zuversichtlich, die verbleibenden Fälle in dieser Risikogruppe zu finden“, so Prim. Schöfl.
Vorsorgeuntersuchungen erweitern
Die Vorsorgeuntersuchung beinhaltet in der Gastroenterologie bislang lediglich zwei Maßnahmen: zum Ersten die Bestimmung der Leberwerte, zum Zweiten einen Hämoccult-Test sowie eine zehnjährliche Dickdarmspiegelung bei allen Personen ab dem 50. Lebensjahr zur Frühdiagnose von Polypen und zur Vorbeugung von Dickdarmkrebs. „Die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) ist der Auffassung, dass dies nicht ausreichend ist. Die Dickdarmspiegelung sollte durch eine Magenspiegelung ergänzt werden, die übrigens in derselben Sitzung durchgeführt werden kann. Damit wäre eine Vorbeugung bzw. Früherkennung von Ösophaguskarzinomen (Barrett-Ösophagus) und Magenkarzinomen (Helicobacter-pylori-Infektion) möglich“, berichtet Prim. Schöfl, der im ÖGGH-Vorstand sitzt. Ebenfalls gefordert werden Vorsorgeuntersuchungen bei Risikopatienten mit Leberzirrhose, Pankreaszysten und familiärer Pankreaskarzinombelastung, um eine Malignität frühzeitig erkennen zu können.
Nurse practicioners übernehmen Aufgaben
Am Ordensklinikum Linz arbeiten drei Arten von Nurse practicioners, also diplomierte Krankenpflegepersonen mit einer Spezialausbildung: Seit vielen Jahren schulen Diabetesberaterinnen vor allem insulinpflichtige Diabetiker in der Blutzuckermessung, im Umgang mit dem Spritzen und der Insulinpumpe etc. Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen steht am Ordensklinikum Linz eine zertifizierte CED-Nurse samt einem erfahrenen Team zur Seite. Seit März 2021 ist Österreichs erste Liver care nurse in der Abteilung tätig und für Patienten mit Hepatitis C bis hin zu Lebertransplantationspatienten zuständig. „Die medikamentöse Therapie und die Kontrollen sind heute standardisiert, sodass für die Folgebesuche der chronischen Patienten keine Ärzte mehr erforderlich sind. Die laufende Betreuung übernehmen spezialisierte Krankenpflegepersonen, die zudem psychologische, ernährungstherapeutische, kreativtherapeutische, Sozial- und Lebensstilberatung im Sinne einer ganzheitlichen Versorgung anbieten bzw. vermitteln“, fasst Prim. Schöfl zusammen.
Neues zur Ernährungstherapie
Das Thema Ernährung ist sehr breit, Prim. Schöfl hebt drei bahnbrechende Empfehlungen der letzten Jahre hervor. Erstens gibt es einen wissenschaftlichen Konsens darüber, was gesunde Ernährung ist. „Die mediterrane, die vegetarische und die salzarme DASH-Diät sind Ernährungsformen, die als ,gesundeErnährungʻ empfohlen werden können“, so Prim. Schöfl. Zweitens ist die Low-Carb-Diät bei übergewichtigen Patienten am effektivsten. Drittens gibt es beim Reizdarmsyndrom nun eine klare Empfehlung: FODMAP-Diät. „Zumindest die Hälfte der Reizdarm-Patienten profitiert von dieser Diät, sodass sie mit ihrem Zustand zufrieden sind“, berichtet Prim. Schöfl.
Therapeutische Endoskopie
Die therapeutische Endoskopie (endoskopische Submukosadissektion, ESD) hat es in den letzten zehn Jahren geschafft, Frühkarzinome im Magen-Darm-Trakt zu heilen – ohne das betroffene Organ entfernen zu müssen. „Ergänzt wird die ESD mit Stromanwendungen zur Abtragung von Risikoarealen. Damit können die Funktion und die Lebensqualität erhalten werden“, erklärt Prim. Schöfl.
(Ambulante) Rehabilitation
„Die Gastroenterologie und Hepatologie werden sich zunehmend der Wichtigkeit der Rehabilitation bewusst. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) hat die Rahmenbedingungen und die Zentren in Österreich definiert, die sich schwerpunktmäßig mit gastroenterologischer Reha beschäftigen. Nun nimmt die PVA die ambulante Rehabilitation in Angriff. 25 % des Budgets für stationäre gastroenterologische Reha sollen in die ambulante Reha fließen. Das Ordensklinikum Linz wird sich bei der Ausschreibung beteiligen“, informiert Prim. Schöfl. Patienten mit Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, chronischer Pankreatitis, nach einer Lebertransplantation oder einer Darmkrebsoperation sollen nicht nur für drei Wochen eine Reha absolvieren, sondern über einen längeren Zeitraum wohnortnahe betreut werden.
Studie zur Versorgungssituation
Zu guter Letzt noch ein gesundheitspolitisches Thema, da Prim. Schöfl in der ÖGGH für Standespolitik zuständig ist. „Gemeinsam mit der Ärztekammer und dem Institut für Höhere Studien (IHS) untersucht die ÖGGH den Ist-Zustand und erstellt eine Zehnjahresprognose der Versorgungssituation in Österreich. Die zwei Hauptfragen lauten: Wie werden sich gastroenterologische Erkrankungen in zehn Jahren entwickeln? Wie werden sich die Leistungserbringer – vulgo Gastroenterologen – hinsichtlich deren Anzahl und Spezialisierung entwickeln?“, berichtet Prim. Schöfl und präsentiert erste Ergebnisse der Studie: „Die erste Zwischenauswertung ist alarmierend. Die Anzahl der Erkrankungen wird um 5 % zunehmen, die Gastroenterologen werden hingegen um 27 % weniger.“ Dies liege zum einen am Ausscheiden der Babyboomer und zum anderen an der neuen Ärzteausbildungsordnung 2015, die langsam zu greifen beginne. „Die Möglichkeit, mehrere Zusatzfächer zu absolvieren, gehört der Vergangenheit an. Studierende müssen sich für ein Fach festlegen, und hier ist die ‚schmutzige, geruchsbelastete‘ Gastroenterologie bspw. im Vergleich zur ‚sauberen‘ Kardiologie weniger attraktiv – trotz spannender manueller Interventionen“, analysiert Prim. Schöfl.
Ultraschall in die Allgemeinmedizin
Nun gelte es Auffangmaßnahmen zu ergreifen, etwa die Allgemeininternisten vermehrt in die Endoskopie zu integrieren – auch um lange Wartezeiten zu minimieren. „Ich bin auch ein starker Befürworter dafür, den Leistungskatalog für Allgemeinmediziner um diagnostische Tools wie den Basis-Ultraschall für alltägliche medizinische Fragen zu erweitern“, so Prim. Schöfl. Die genaue Ultraschall-Diagnose – etwa ob ein Krebs oder „nur“ eine hormonbedingte fokale noduläre Hyperplasie vorliegt – solle aber weiterhin den Spezialisten vorbehalten bleiben.
Zwei Stationen, sechs Ambulanzen, 70 Mitarbeiter |
In 20 Jahren wurden etwa ... |
... 50.000 Patienten stationär und 400.000 ambulant behandelt, |
... 70.000 Personen gastroskopiert und 40.000 koloskopiert und |
... 12.000 Polypen entfernt. |
Kontakt:
Abteilung Interne IV – Gastroenterologie & Hepatologie, Endokrinologie und Stoffwechsel, Ernährungsmedizin