Brustkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen. 5500 Österreicherinnen erkranken jedes Jahr daran. Rund 75 Prozent der Fälle werden in einem frühen Krankheitsstadium erkannt und können brusterhaltend therapiert werden. Bei jeder vierten Patientin ist eine Brustentfernung (Mastektomie) notwendig. Vor allem die Zahl der prophylaktischen Operationen ist stark steigend. „Das sind meist jüngere Frauen, bei denen durch einen Gentest ein erhöhtes familiäres Risiko festgestellt wurde“, sagt Primar Doz. Dr. Georgios Koulaxouzidis, Abteilungsvorstand Plastische Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie im Ordensklinikum Linz. „Wir suchen nach individuellen Lösungen für jede Patientin“, sagt OÄ Dr.in Klaudia Knerl, Plastische Chirurgin und stellvertretend Abteilungsleiterin.
Seit Hollywoodstar Angelina Jolie 2013 öffentlich über ihre vorbeugende Mastektomie gesprochen hat, ist die Zahl der Eingriffe vor allem bei jüngeren Frauen sprunghaft gestiegen. Sie entscheiden sich nach einem Gentest für die Operation, um das Risiko einer Erkrankung zu minimieren. Andere hatten bereits eine Brustentfernung und kommen erst später zur Plastischen Chirurgie. Im Fall einer Brustkrebs-Diagnose ist in 20 bis 30 Prozent der Fälle eine Entfernung der Brust notwendig. „Die Verfahren dafür sind unterschiedlich in der Radikalität, je nach Tumoreigenschaften, Lokalisation und Verhältnis von Tumorgröße zu Brustvolumen“, erklärt Abteilungsvorstand Doz. Dr. Georgios Koulaxouzidis. Auch bei der brusterhaltenden Operation ist die Plastische Chirurgie im Ordensklinikum oft Teil des Teams. „Die Komplikationsrate wird durch eine Onkoplastik im Vergleich zu einer isolierten Tumorentfernung fast halbiert, die Strahlentherapie kann zeitnäher durchgeführt werden.“
Rekonstruktion als Vorsorge gegen Depression
Diagnose Brustkrebs – das bringt nicht nur körperliche, sondern auch psychische Belastung mit sich. „Neben der Beeinträchtigung des Körperempfindens und der Weiblichkeit machen psychosoziale Folgen einen wesentlichen Teil der Belastung der Betroffenen aus“, sagt Oberärztin Dr.in Klaudia Knerl. Das wirke sich auf das Selbstwertgefühl, soziale Teilhabe, auf das Sexualleben, aber auch auf das Arbeitsleben aus. Das Risiko für eine Depression ist nach einer Mastektomie signifikant erhöht. „Die Rekonstruktion der Brust kann hier laut Studien eine erhebliche Verbesserung herbeiführen.“
Um die passende Methode zu finden, braucht es Zeit. „Die Patientin ist hier gleichberechtigte Partnerin bei der Planung, sie wird informiert und aufgeklärt, dafür sind mehrere Beratungsgespräche notwendig“, sagt Oberärztin Dr.in Klaudia Knerl. Die anatomischen Gegebenheiten, die onkologische Sicherheit, Vor- und Nachteile der jeweiligen Methoden, mögliche Komplikationen, zu erwartende Nachfolge-Therapien und vor allem die Bedürfnisse und Erwartungshaltung der Patientin spielen bei der Entscheidungsfindung eine wesentliche Rolle.
Im Ordensklinikum Linz wurde 2019 bei 67 Patientinnen eine Brustrekonstruktion durchgeführt. Betroffene werden vom Brustgesundheits-Zentrum überwiesen oder nehmen direkt Kontakt mit der Abteilung auf. Verschiedene Disziplinen wie Chirurgie, Radio-Onkologie, Pathologie, Onkologie und eigens geschulte Breast Nurses wirken hier zusammen. Dazu kommen psychologische Betreuung, Physiotherapie und Bandagisten. „Wir versuchen, möglichst viele Frauen im Team zu haben, um die Patientinnen bestmöglich zu unterstützen“, sagt Oberärztin Dr.in Klaudia Knerl.
Onkologische Sicherheit ist oberstes Ziel
Kann der Hautmantel erhalten bleiben, kommen eine Rekonstruktion mit Fremdmaterial (Silikon), mit Eigengewebe oder eine Hybrid-Form in Frage. „Die Implantate werden unter den großen Brustmuskel oder unter die Haut platziert“, erklärt Abteilungsvorstand Doz. Dr. Georgios Koulaxouzidis. Die Operation dauert zwischen 1,5 (mit Implantat) und 6 Stunden (Eigengewebe). Rekonstruktionen mit Implantaten sind also zuerst wesentlich weniger aufwändig, allerdings sind oft Nachfolge-Operationen nötig.
Mögliche Komplikationen sind Infektionen und Kapselkontrakturen (Deformierung und Verhärtung des Implantats). „Eigengewebs-Rekonstruktionen haben auf Dauer weniger Nachteile, brauchen aber viel chirurgische Erfahrung“, sagt der Plastische Chirurg. Nach der OP tragen die Patientinnen einen speziellen BH und müssen sich acht Wochen körperlich schönen. Danach können sie wieder Sport treiben.
Onkologische Sicherheit ist oberstes Ziel. „Deshalb sollte der Tumor mit ausreichendem Sicherheitsabstand und vollständig entfernt werden, um ein Wiederauftreten zu vermeiden und um das Risiko für das Auftreten von Metastasen zu reduzieren“, sagt Abteilungsvorstand Doz. Dr. Georgios Koulaxouzidis. Diese Radikalität werde durch eine zuverlässige Rekonstruktion ermöglicht. Wichtig sei aber auch ein natürliches Rekonstruktionsergebnis. „Bei Unzufriedenheit mit der Brustgröße kann man die Operation auch nutzen, um hier Veränderungen zu erreichen“, sagt Oberärztin Dr.in Knerl.
Individuelle Therapie und geringe Komplikationsrate
In 166 von 1000 Fällen kann nach einer Brustentfernung ein Lymphödem auftreten. Auch hier ist die Plastische Chirurgie gefragt. „Wir können Lymphknoten transplantieren und haben Expertise bei der Rekonstruktion der Lymphbahnen“, sagt Primar Doz. Dr. Georgios Koulaxouzidis. „Eine sichere Anwendung dieses breiten Spektrums setzt eine entsprechende Erfahrung und ein Team mit entsprechend breitem Kompetenzspektrum voraus, um eine geringe Komplikationsrate zu ermöglichen und alle rekonstruktiven Möglichkeiten im Sinne einer individualisierten Therapie anbieten zu können.“
Quelle: OÖN
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