Aktuelles

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Ordensklinikum Linz

Gelenkerhalt geht vor Gelenkersatz

Datum: 16.06.2023

Seit Jahresbeginn bietet die Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern auch Verfahren der offenen gelenkerhaltenden Chirurgie an. Die endoprothetische Versorgung von Hüft- und Kniegelenken ist ein Schwerpunkt der Abteilung. Bereits seit über zehn Jahren wird die Hüftarthroskopie durchgeführt, mit Jahresbeginn wurde das Portfolio um die Labrumchirurgie und die Knorpeltherapie erweitert.

Grundsätzlich besteht im Bereich der gelenkerhaltenden Hüftchirurgie hoher Bedarf, im Gegensatz zu Deutschland ist die Versorgungsdichte im öffentlichen Bereich mit Chirurg*innen, die häufig Hüftarthroskopien durchführen, aber eher gering. Neue Therapien Im Rahmen einer Hüftarthroskopie wurden bislang Diagnosen wie das femoroacetabuläre Impingement (FAI) und die Epiphysiolyse behandelt. Künftig können auch Schäden an der Gelenklippe therapiert werden. Aktuelle Studien zeigen, dass es für die Patient*innen langfristig Vorteile bringt, wenn die Gelenklippe durch eine Refixation am Pfannenrand erhalten bleibt. Knorpelschäden können ebenso minimalinvasiv arthroskopisch mit Spezialinstrumenten geglättet oder lose Knorpelaufbrüche arthroskopisch debridiert sowie instabile Knorpelanteile entfernt werden. Zum Standard gehört es, dass man unter Distraktion, also unter Zug auf das Bein, das Gelenk, den Hüftkopf, aus der Pfanne distrahiert, den Hüftkopfknorpel und den Gelenksknorpel in der Pfanne inspiziert und gegebenenfalls eine Knorpeltherapie durchführt.

 

Chirurgische Hüftluxation

Hüftexperte FA Dr. Lukas Pichler von der Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern erläutert: „Mittels Arthroskopie sind nur 50 bis 70 Prozent eines Gelenks einsehbar, das heißt, jeder zirkuläre Defekt, zum Beispiel ein gutartiger Tumor, kann auf diese Weise chirurgisch nicht erreicht werden.“ Bei der chirurgischen Hüftluxation wird hingegen der Hüftkopf aus dem Gelenk herausluxiert, wodurch das gesamte Gelenk eingesehen werden kann. Eine chirurgische Hüftluxation kann bei zirkulären Deformitäten, bei denen das Labrum erneuert werden muss, oder bei einer zirkulär auftretenden pigmentierten villonodulären Synovialitis (PVNS) sinnvoll sein. Auch eine ausgeprägte Chondromatose, das sind ausgeprägte knorpelige, knöcherne Bildungen im Gelenk, kann arthroskopisch bei einem ausgeprägten Befund nur schlecht gelöst werden. Die chirurgische Hüftluxation ist ein etabliertes Verfahren, dessen Ergebnis einer Arthroskopie gleichkommt – das zeigen Langzeitstudien-Daten der Berner Gruppe aus der Schweiz. Dr. Pichler erläutert: „Der Eingriff ist zwar invasiv und von der Wundfläche her die ersten Tage intensiver, aber auch die Hüftarthroskopie darf in der Nachbehandlung nicht unterschätzt werden. Bei beiden Eingriff en muss man mit zwei bis drei Monaten Erholungsdauer rechnen. Die Patient*innen haben zwar keine großen Schmerzen, aber sie brauchen intensive Physiotherapie.“

 


Ein großes instabiles Labrum lässt sich mit Fadenankern wieder gut am Acetabulum refixieren.

 

Beckenumstellungs-Operation

Die Periacetabuläre Beckenosteotomie (PAO) ist eine Operation zur Korrektur der Hüftpfannenposition. Das Verfahren wurde Ende der 1980er Jahre von der Berner Gruppe entwickelt und wird weltweit durchgeführt. Die Langzeitdaten sind sehr gut. In Österreich ist die Hüftdysplasie aufgrund der Erfindung der Hüftsonografie durch Prof. Dr. Reinhard Graf an den Rand gerückt. Seit 1991 ist die Untersuchung der Hüfte bei Neugeborenen Standard, was eine frühzeitige Behandlung ermöglicht und dysplastische Hüften durch Nachreifung verhindert. Mitunter bleiben trotzdem Dysplasien übrig, weil sie in der Sonografie nicht suffizient detektiert worden sind bzw. gibt es diese durch die Migration. Die Zahlen bewegen sich im niedrigen einstelligen Bereich. Mädchen sind häufiger betroffen als Burschen. Meist um das 20. – 25. Lebensjahr werden Hüftdysplasien bei langem Stehen oder bei Belastung schmerzhaft, weil der Hüftkopf durch die Minderüberdachung nach außen drängt, aus dem Gelenk zu subluxieren beginnt und eine Überbeanspruchung im äußeren Bereich der Überdachung vom Becken her zustande kommt.

 

Die chirurgische Hüftluxation ermöglicht eine sehr gute Sicht auf Hüftkopf und Pfanne.
 


FA Dr. Lukas Pichler erklärt: "Die Periacetabuläre Beckenosteotomie (PAO) ist eine Operation zur Korrektur der Hüftpfannenposition. Junge Erwachsene mit Hüftdysplasien profitieren davon."- © Ordensklinikum Linz

 

Dr. Pichler berichtet: „Im Moment bekommen 20-Jährige mit Schmerzen eine Physiotherapie zum Muskelaufbau. Die Betroffenen finden sich mit dem Schmerz ab, bis eine Hüftgelenksarthrose entsteht und sie schließlich eine Prothese erhalten. Diese Patient*innen profitieren von der PAO, weil sie danach eine remodelierte Beckensituation haben, wo die Kraftübertragung wieder normalisiert ist.“ Die im Ordensklinikum Linz angewandte OP-Technik bezieht sich auf Adoleszente und ist möglich, sobald die Wachstumsfuge geschlossen ist. Die Operation dauert circa zwei Stunden. Dr. Pichler erklärt: „Wir erzeugen am Becken künstlich eine Fraktur. Das Acetabulum wird dabei komplett freigelegt. Da das Becken sehr gut durchblutet ist, arbeiten wir mit einem ‚Cell-Saver-System‘, bei dem das eigene Blut wiederverwertet wird. Fremdbluttransfusionen werden dadurch vermieden. Unter kontrollierten Bedingungen können die Patient*innen die Hüfte von Anfang an belasten. Für den Heilungsprozess sind drei Monate einzurechnen.“

 

PAO versus Hüftprothese

Das Einsetzen einer Hüftprothese ist heute eine sehr gut funktionierende und mit einer Infektionsrate von zwei bis vier Prozent auch eine sehr sichere Operation. Allerdings ist die Prothese auch bei neuen hochwertigen Inlays durch die Reibung einer Abnützung ausgesetzt, d. h. sie muss nach rund 20 bis 25 Jahren getauscht werden. Bei jungen Menschen auch früher, weil sie etwa durch mehr Bewegung höhere Anforderungen an die Prothese haben. Dr. Pichler erläutert: „Bei der Prothese ist man irgendwann limitiert, denn es fehlt der Knochen und es besteht ein Infektionsrisiko, das bei jeder Reoperation höher wird. Im schlimmsten Fall muss das Gelenk ausgebaut werden.“ Aktuelle Publikationen weisen darauf hin, dass bei unter 50-jährigen aktiven Patient*innen eine Revisionsrate in den ersten zehn Jahren von bis zu 15 Prozent besteht. „Es sollte daher bei 20-Jährigen, die deutliche Schmerzen verspüren, das Ziel sein, das Gelenk so lange wie möglich zu erhalten“, betont Dr. Pichler.

Bei der Dysplasie lässt sich eine korrekte Lastübertragung nur mit einer Osteotomie des Beckens erreichen. © Alle Fotos und Abbildungen Prof. Michael Dienst

 

Diagnose Hüftdysplasie

Eine Hüftdysplasie erkennt man an Hüftzeichen, C-Zeichen, Schmerzen rund um Hüfte und Leiste, die in Richtung Gefäß ausstrahlen, bzw. von den Leisten her halbkreisförmige Schmerzen, die rund um die Hüften ausstrahlen. Die Diagnose wird über ein Beckenübersichtsröntgen erstellt, auf dem beide Seiten abgebildet sind, da nur so die Winkel bemessen werden können. Ein Hüftröntgen reicht zur Diagnostik nicht aus. Dr. Pichler appelliert an die Zuweiser*innen: „Wenn Sie junge Patient*innen mit Hüftschmerzen betreuen, die bereits ohne Erfolg eine Physiotherapie machen und es steht eine Dysplasie im Raum, überweisen Sie diese an unsere Orthopädie-Ambulanz.“


Informationen für Zuweiser*innen

Spezialambulanz für Erkrankungen des Hüftgelenks,
Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie,
Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern
Telefonische Terminvereinbarung:
Tel.: 0732 7677 - 7252
Mo – Fr, 12.00 – 15.00 Uhr
www.ordensklinikum.at/orthopaedie