Solch einen Fall haben auch erfahrenen Chirurginnen und Chirurgen selten gesehen. Ein Bauchwandbruch, bei dem mehr als 70% des Darmvolumens über Monate außerhalb der Bauchhöhle lagen und der als inoperabel galt. Mit Botox, Luft und der ganzen Erfahrung aus Österreichs einzigen Hernien Referenzzentrum im Ordensklinikum Linz haben Priv. Doz. OA Dr. Gernot Köhler, MSc. und sein Team helfen können.
Manche Menschen haben ein schicksalhaftes, hartes Leben, das sie lange auf ihre eigene Gesundheit vergessen lässt. Die 62-jährige Martha Dumfart ist so ein Mensch. 14, 16 Stunden tägliche Arbeit im familieneigenen Gasthaus, 8 Jahre die Oma gepflegt – und keine Zeit, sich um ihren stetig wachsenden Bauchwandbruch zu kümmern. Bis es fast zu spät war. „Als Frau Dumfart zu mir kam, hatte sich eine riesige Bruchpforte entwickelt, durch die fast der ganze Dünndarm in einen Bruchsack ausgetreten war. Mehr als 70% ihres Darmvolumens war nicht mehr in der Bauchhöhle, sondern in einer massiven Ausbeulung halbrechts unterhalb des Nabels. Sie konnte sich nur mehr sehr eingeschränkt bewegen und hatte starke Rückenschmerzen. Jeder kann sich vorstellen, dass bei einem Sturz oder im Falle einer Darmeinklemmung akute Lebensgefahr bestanden hätte“, erzählt Priv.Doz. OA Dr. Gernot Köhler, Leiter des Hernien Referenzzentrums.
Mit herkömmlichen Methoden inoperabel
Die ausgetretenen Darmschlingen einfach wieder zurückzuschieben und die Pforte zu verschließen, wie es sich ein Laie vorstellt, war hier aussichtslos. „Mit herkömmlichen Techniken ist so ein riesiger Bauchwandbruch inoperabel. Es wären pulmonale Komplikationen, konkret eine geringere Atemleistung durch den Zwerchfellhochstand, sowie kardiale Probleme durch verminderte Herzauswurfsleistung aufgrund eines reduzierten venösen Rückstroms zu erwarten. Auch die Gefahr einer Niereninsuffizienz durch die Druckerhöhung im Bauchraum besteht, würde man alles was draußen liegt, sozusagen mit Gewalt wieder in die Bauchhöhle zurückverlagern“ beschreibt Dr. Köhler die Situation.
Botox und Spezialnaht als Lösung
Er entschied sich schließlich für einen völlig neuen, bei uns im Land so noch nie durchgeführten Ansatz. Zuerst galt es, die verhärteten Muskeln wieder weich und elastisch zu machen. Botox – ja, genau das Wundermittel der Beauty-Docs – sorgte nach ultraschallgezielter Infiltration nach einigen Wochen für eine Reduktion der Spannung in der seitlichen Bauchmuskulatur. Als zweiter Schritt folgte dann die Anlage eines sogenannten progressivem Pneumoperitoneums: 10 Tage lang wurde über einen speziellen Katheter gefilterte Raumluft in die Bauchhöhle gepumpt – gut ein halber Liter täglich.
Durch diese schonende Dehnung vergrößerte sich das Bauchvolumen sukzessive wieder, bis genügend Platz zur Rückführung des Darms an seinen ursprünglichen Platz wiedererlangt werden konnte. Mittels endoskopische Komponentenseparation, einer Technik, bei der mit Minischnitten unter Kamerasicht Anteile der seitlichen Bauchwand gespalten und gegeneinander verschoben werden, gelang ein optimaler Verschluss der riesigen Bruchpforte in der Bauchwandmitte. Ganz zum Schluss kam auch das Team der Plastischen Chirurgie zum Einsatz und sorgte mit einer Bauchdeckenstraffung für ein ausgesprochen gutes Behandlungsergebnis. „Frau Dumfart fühlt sich wie neugeboren und genießt ihre wiedergewonnene Lebensqualität in vollen Zügen“, freut sich Köhler mit seiner Patientin. Ihren Fall wird er beim heurigen Österreichischen Chirurgie-Kongress vorstellen.
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