Aktuelles

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Ordensklinikum Linz

Neuerungen in der Behandlung des Mammakarzinoms

Datum: 02.05.2024

Präzisionsmedizin und ein hohes Maß an Interdisziplinarität zeichnen das Brust-Gesundheitszentrum am Ordensklinikum Linz aus. Neue Therapien werden rasch etabliert, um die hohe Versorgungsqualität der Patient*innen zu gewährleisten.

Das Brust-Gesundheitszentrum besteht seit 2005. Hier werden mehr als ein Drittel aller oberösterreichischen Patient*innen mit malignen Brusttumoren betreut. Sie profitieren von der engen Zusammenarbeit von Expert*innen verschiedener Fachrichtungen an einem Standort und einer Behandlung am aktuellsten Stand der Wissenschaft.
 

Neue Methode der Lymphknotenmarkierung

Das Brust-Gesundheitszentrum hat mit der TAD (targeted axillary dissection) eine neue, innovative Methode zur präzisen Lokalisierung von axillären Lymphknoten etabliert. Die Leiterin des Zentrums, OÄ Dr.in Ruth Helfgott, erklärt: „Vor einer neoadjuvanten Therapie wird ein primär tumorinfiltrierter Lymphknoten mit einem kleinen magnetischen ,Seed‘ markiert, sodass der*die Chirurg*in diesen später bei der Tumoroperation mit einem Detektor ganz einfach wiederfinden kann.“ OÄ Helfgott schildert: „Wenn in diesem und in den zusätzlich entfernten Sentinel-Lymphknoten kein Tumorgewebe mehr vorhanden ist, kann man den Patient*innen eine komplettierende Axilladissektion und die damit verbundenen unangenehmen Folgen wie Lymphödemen, Parästhesien und Narbenschmerzen ersparen. Gerade aggressive Tumore sprechen oft exzellent auf die präoperative Therapie an.“


Gentest bei erblichen Mamma und Ovarialkarzinomen

Fünf bis zehn Prozent aller malignen Mamma- und Ovarialkarzinome sind genetisch bedingt. Bei familiären Risikokonstellationen können Frauen im Ordensklinikum Linz eine genetische Testung vornehmen lassen. Getestet werden ganze Gen-Panels, die, wenn sie eine bestimmte Mutation zeigen, ein erhöhtes Mammakarzinom- Risiko bedeuten. Daneben können sie ein erhöhtes Risiko für andere Tumorerkrankungen anzeigen. „Es ist sehr wichtig, die Patient*innen umfassend aufzuklären, damit sie genau wissen, was ein positives Testergebnis für sie bedeuten könnte und welche Konsequenzen man im Falle einer Hochrisikomutation überdenken muss.“

Dazu ein Fallbeispiel: Frau A. ließ 2016 bei positiver Familienanamnese einen Gentest durchführen. ÖA Helfgott schildert: „Der Test ergab eine Hochrisikomutation (BRCA1). Frau A. wurde wegen einer prophylaktischen Brustentfernung mit Sofortrekonstruktion plastisch-chirurgisch vorgestellt. Sie hat sich damals für ein konservatives Vorgehen mit regelmäßigen Untersuchungen gemäß Hochrisikofrüherkennungsschema entschieden.“ Im Vorjahr wird Frau A. zur Abklärung mit einem auffälligen Befund zugewiesen. „Es waren zwei kleine Herde in der Brust, aber ausgedehnte pathologische Lymphknoten in der Achsel zu sehen. Wir haben diese biopsiert und ein triple-negatives Mammakarzinom (TNBC) diagnostiziert. Das ist eine sehr aggressive Form von Krebs, die man typischerweise bei Frauen mit BRCA1- Mutationen findet“, berichtet OÄ Helfgott.


Neue systemische Therapie

Ein TNBC tritt häufig bei jüngeren Patient* innen auf und zeichnet sich durch aggressives Wachstum aus. Seit 2022 ist bei frühem TNBC in Kombination mit einer Chemotherapie der Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab als neoadjuvante Therapie zugelassen. Dieses Therapeutikum wird seither im Ordensklinikum Linz verwendet. Im Fall von Frau A. konnte eine pathologische Komplettremission erzielt werden. Dadurch wurde ihr die Axilladissektion erspart und auch ein brusterhaltender Eingriff wäre möglich gewesen. Die Patientin hat sich aber aufgrund ihrer genetischen Hochrisikosituation nach ausführlichen Gesprächen für eine beidseitige Mastektomie entschieden.

OÄ Dr.in Ruth Helfgott, Leiterin des Brust-Gesundheitszentrums (li.) und ihr Team bei einem Eingriff.


OÄ Helfgott erläutert: „Wir haben eine nippelsparende Mastektomie durchgeführt, bei der das Brustgewebe ausgeschält wird und Haut und Brustwarze erhalten bleiben.“ Bei der Patientin wurden vorbeugend auch die Ovarien entfernt, weil aufgrund der BRCA-Mutation auch ein erhöhtes Risiko für ein Ovarialkarzinom bestanden hat.

 

Expander als Platzhalter

Da bei der Patientin die Notwendigkeit einer postoperativen Radiotherapie gegeben war, wurde in Hinblick auf die Rekonstruktion ein zweizeitiges Vorgehen geplant. Der Patientin wurde vorerst auf der erkrankten Seite ein Expander implantiert. Das ist eine von außen befüllbare Prothese, die man über ein Ventil mit einer Kochsalzlösung unterschiedlich stark auffüllen kann. „Vor der Strahlentherapie kann man ihn etwas entleeren, damit die Haut weniger gespannt und gestresst und die Therapie verträglicher ist.“ Die definitive Rekonstruktion erfolgt erst nach der Strahlentherapie. „Dieses Behandlungskonzept, das wir nach enger präoperativer Abstimmung gemeinsam mit den Mediziner*innen von der Plastischen, Ästhetischen und Rekonstruktiven Chirurgie umsetzen, soll helfen, strahlenbedingte Komplikationen und ästhetische Einbußen an der rekonstruierten Brust so gering wie möglich zu halten“, erklärt OÄ Helfgott.

 

OÄ Dr. Ruth Helfgott

OÄ Dr.in Ruth Helfgott, Leiterin des Brust-Gesundheitszentrums

 

Nach Abschluss der Therapie ist bei Patientin A. ein Wiederaufbau der Brust mit Eigengewebe geplant. Der erste Eingriff wird gemeinsam von der Chirurgie, die das Gewebe der erkrankten Brust entfernt und den Achseleingriff vornimmt, und der Plastischen Chirurgie, die den Expander einbringt, durchgeführt. Die definitive Rekonstruktion ist ein mikrochirurgischer Eingriff, den die plastischen Chirurg*innen übernehmen. Bei einem TNBC kann in ca. 50 % der Fälle eine Komplettremission erzielt werden. ÖA Helfgott betont: „Das ist immer ein großes Glück, weil dann auch ein viel geringeres Rezidivrisiko besteht.“

 

Wiederaufbau mit Eigengewebe

Seit 2021 werden verstärkt Eigengewebsrekonstruktionen durchgeführt. „Die Verwendung von Eigengewebe hat viele Vorteile: Die Brust greift sich natürlicher an und sie macht körperliche Veränderungen wie Gewichtszu- oder -abnahmen mit. Auch sind gewisse Folgeoperationen, wie sie nach einer Implantationsrekonstruktion im Laufe des Lebens notwendig werden (bei Kapselfibrose, Kapselruptur), nicht erforderlich“, erklärt OÄ Helfgott. Der größte Nachteil ist, dass an den Entnahmestellen weitere Narben entstehen. Das Gewebe wird meist vom Unterbauch genommen; Alternativen sind die Oberschenkelinnenseiten oder die Glutealregion. Operativ ist die autologe Brustrekonstruktion mit Eigengewebe aufwändiger, weil die Blutgefäße mikrochirurgisch präpariert und angeschlossen werden müssen, der Eingriff kann hier durchaus sechs Stunden dauern.

 

Fallpräsentation: Frau. A., 46a, Mammakarzinom rechts, BRCA1-Mutation

Vorgeschichte:
• Patientin kommt aus dem Hochrisikoscreening
• Positive Familienanamnese (Mutter mit 35a an Mammakarzinom erkrankt)
• Seit 2016 ist bei der Patientin eine BRCA1-Mutation bekannt
• Prophylaktische Operationen bis dato abgelehnt Untersuchungsergebnisse:
• MR-Mammographie: zwei abklärungsbedürftige kleine Herdläsionen (7 und 8 mm) rechts, MR BIRADS4
• Axillasonographie: ausgedehnte pathologische Lymphknoten
• Histologie (Mamma und axill. Lymphknoten): niedrig differenziertes, hochproliferatives triple-negatives Mammakarzinom
• PET CT: keine Fernmetastasierung Problemstellung: Die Patientin hat ein kleines, bifokales, aber ausgedehnt in die lokalen Lymphknoten metastasiertes triple-negatives Mammakarzinom.
Aufgrund der Tumorbiologie und des Tumorstadiums ist eine neoadjuvante Systemtherapie indiziert. Damit könnte in der Axilla ein Downstaging bis hin zur pathologischen Komplettremission erreicht werden. Um der Patientin eine ev. unnötige Axilladissektion zu ersparen, wird der biopsierte Lymphknoten mit einem magnetischen Seed markiert, um später eine TAD zu ermöglichen. Die Patientin möchte aufgrund ihrer BRCA1-Mutation eine Mastektomie beidseits durchführen lassen.

Therapie am Ordensklinikum Linz:
• Neoadjuvante Chemo-/Immuntherapie (Pembrolizumab) > klinische Komplettremission
• 4/2023: NMS (nipple sparing mastectomy) bds., Einbringen eines Implantats links sowie eines Expanders re. als Platzhalter, TAD rechts > pathologische Komplettremission
• Adjuvant Pembrolizumab
• Radiotherapie Thoraxwand und supraclaviculäre Lymphabflusswege rechts
• 8/2023: prophylaktische Adnexektomie

Outcome:
• Patientin rezidivfrei
• Definitive Brustrekonstruktion mit Eigengewebe ( Doppel DIEP) bereits terminisiert


Kontakt für Zuweiser*innen

Brust-Gesundheitszentrum
Tel. Ambulanz: 0732 7677 - 6100 Mo – Do, 08.00 – 15.00 Uhr
www.ordensklinikum.at/ brustgesundheitszentrum