Unser Geruchssinn weckt gerade jetzt viele Erinnerungen an den Sommer von damals, an Himbeereis und Tiroler Nussöl
Der Geruch von Chlorwasser, Himbeereis, Sonnencreme, Gegrilltem oder frisch gemähten Wiesen: Der Sommer spielt sich zu einem Großteil in unseren Nasen ab. „Die Welt der Gerüche ist in dieser Jahreszeit vielfältiger. Denken wir nur an den Duft von Rosen, von Erdbeeren und Kirschen", sagt Martin Bruch, HNO-Arzt im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern Linz.
Wenn beispielsweise der Duft von Tiroler Nussöl in der Luft liegt, fühlen sich viele Erwachsene sofort in ihre Kindheit in den 70er- und 80er-Jahren zurückversetzt und erinnern sich an einen heißen Sommertag im Freibad, ans Turmspringen und an die Freunde von früher…
„Gerüche wirken sich deshalb so stark auf die Psyche aus, weil die Riechnerven von der Nase direkt ins Gehirn gehen – und zwar unter anderem in jenes Areal, in dem auch unsere Emotionen verarbeitet werden. Es reicht also ein Geruchsreiz, und wir sind plötzlich in der Volksschule oder in unserem Kinderzimmer", sagt der Mediziner.
„Auch Gerüche, die ein Mensch jahrzehntelang nicht mehr gerochen hat, können in Sekundenschnelle identifiziert werden und die Stimmung verändern."
Unsere Nase entscheidet mit, wen wir sympathisch finden, wen wir lieben und sogar, mit wem wir Sex haben und uns fortpflanzen wollen. Dabei hat jeder Mensch einen ganz individuellen Körpergeruch, der sogar das genetische Profil widerspiegelt. Es sind eben nicht nur Aussehen, Stimme oder Flirtverhalten, die für die Partnerwahl entscheidend sind. Liebe geht vor allem durch die Nase. Geruchsreize, die unsere rund 350 Geruchsrezeptoren in der Nase aufnehmen, werden ans limbische System und den Hippocampus weitergeleitet. Das sind zwei Bereiche im Gehirn, die Emotionen und Erinnerungen steuern.
Riechen macht Lust auf mehr …
Der Geruchssinn ist jener unserer fünf Sinne, über den wir am wenigsten wissen. Dabei können Menschen mehr als eine Billion Gerüche unterscheiden. Dass dieser Sinn so enorm wichtig ist, wird erst bemerkt, wenn er schwächer wird oder verloren geht: „Die häufigste Ursache für den Verlust sind virale Infekte der oberen Atemwege und chronische Nasennebenhöhlenentzündungen. Auch eine Covid-19-Erkrankung kann sich so äußern", sagt HNO-Arzt Martin Bruch. Neurologische Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer können den Geruchssinn genauso beeinträchtigen wie Schädel-Hirn-Traumata oder Medikamente.
„Menschen, die den Geruchssinn verlieren, kommt die Lust am Essen abhanden, weil der Geruch ein maßgeblicher Faktor ist, wenn es um den Genuss von Lebensmitteln geht. Geht der Geruchssinn verloren, steigt die Gefahr, an Depressionen zu erkranken, ganz erheblich an", sagt Bruch.
Text: OÖN / Barbara Rohrhofer
Nähere Informationen:
Sollten Sie bemerken, dass Ihr Geruchssinn beeinträchtig ist, wenden Sie sich bitte zuerst an einen niedergelassenen Facharzt. Der wird eine Therapie beginnen und im Bedarfsfall an unserer Abteilung HNO, Kopf- und Halschirurgie überweisen.