Lange Zeit wurden in der Therapie fortgeschrittener Nierenzell- und Blasenkarzinome keinerlei relevante Fortschritte erzielt. In den letzten Jahren haben jedoch bahnbrechende Entwicklungen im Bereich der Immuntherapie völlig neue Herangehensweisen eröffnet. Damit ist es bei einem Teil der Patienten möglich, das Überleben signifikant zu verlängern. Die im Vergleich zur Chemotherapie deutlich bessere Verträglichkeit ist dafür verantwortlich, dass auch die Lebensqualität der Betroffenen wesentlich besser ist.
Verbesserungen beim Blasenkarzinom
In der Therapie des metastasierten Blasenkarzinoms wurden über mehr als ein Jahrzehnt keinerlei neue Behandlungsansätze entwickelt, die eine Lebensverlängerung ermöglicht hätten. Bei den betroffenen Patienten handelt es sich meist um Personen in einem schlechten Allgemeinzustand. Sie sind häufig in fortgeschrittenem Alter und leiden unter zahlreichen Komorbiditäten, wie beispielsweise Nierenfunktionseinschränkungen oder Gefäßerkrankungen. Letztere sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass das Blasenkarzinome gehäuft bei Rauchern auftritt. Diesem Patientenkollektiv war eine Chemotherapie mit all ihren potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen vielfach nicht zumutbar. Patienten, welche keine Chemotherapie aushalten würden, profitieren von den Immuntherapien, welche auch bei schweren Nierenfunktionseinschränkungen eingesetzt werden können und lebensverlängernd wirken.
Für die Zweitlinientherapie – also bei nach Chemotherapie wiederkehrendem Blasenkarzinom – gab es ebenfalls lange Zeit keine Behandlungsstandards. Bisher eingesetzte Chemotherapeutika hatten oft nur rein palliativen Charakter, bewirkten jedoch keine Lebensverlängerung. Die Überlebenszeit war lange Zeit mit maximal sieben Monaten limitiert. Durch neue Immuntherapeutika aus der Gruppe der sogenannten Checkpoint-Inhibitoren kann hingegen eine signifikante Lebensverlängerung auf etwa elf Monate erreicht werden.
Neue Kombination beim Nierenzellkarzinom
Auch in der Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms wurde durch die Einführung der Immuntherapie ein neuer Durchbruch erzielt. Erst kürzlich wurden auf der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO), die Mitte September 2017 in Madrid stattfand, die Daten einer Phase-III-Studie präsentiert, in der die Kombination von zwei Immuntherapeutika mit einem Tyrosinkinasehemmer– einem sehr gut wirksamen zielgerichteten Therapeutikum – verglichen wurde. Dabei schnitt die Kombination speziell bei Patienten mit mittlerem bis hohem Risikoprofil bezüglich Gesamtüberleben und Gesamtansprechen signifikant besser ab.
Vorteilhaftes Nebenwirkungsprofil
Ein wesentlicher Vorteil der Immuntherapie ist ihre signifikant bessere Verträglichkeit. Unter Chemotherapie treten schwere Nebenwirkungen (Grad 3-5) bei etwa der Hälfte aller Patienten auf. Diese Rate ist unter Immuntherapie deutlich niedriger – meistens sogar im einstelligen Bereich.
Darüber hinaus unterscheidet sich das Nebenwirkungsspektrum der beiden Therapieansätze deutlich. Unter Chemotherapie kommt es beispielsweise zu Haarausfall und Blutbildveränderungen. Unter Immuntherapie können immunvermittelte Nebenwirkungen an Haut, Darm (z.B. Durchfälle), Lunge (Pneumonitis), Herz (Myokarditis) oder Schilddrüse (Thyreoiditis) auftreten. Besonders gefürchtet sind äußerst seltene neurologische Nebenwirkungen wie z.B. Hypophysitis. Ein wesentlicher Unterschied besteht auch darin, dass chemotherapie-bedingte Nebenwirkungen bei Absetzen der Behandlung unmittelbar abklingen, hingegen nach Immuntherapie anhalten oder erst verzögert auftreten können. Wichtig ist, immunspezifische Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen, weil sie in der Regel mit Kortikosteroiden gut behandelbar sind.
Patientenselektion
Eine große Herausforderung besteht in der Onkologie derzeit v.a. darin, aus der Fülle bereits vorhandener Therapieoptionen jene zu wählen, auf welche der Patient jeweils am besten anspricht. Daher wird intensiv an neuen Biomarkern geforscht, mit denen sich das individuelle Ansprechen möglichst zuverlässig voraussagen lässt. Denn auch wenn die Innovationen im Bereich der Immuntherapie vielfach zu bisher unerreichbaren Ergebnissen bezüglich Überleben und Ansprechdauer führen, ist zu bedenken, dass immerhin die Hälfte aller Patienten mit urogenitalen Tumoren nicht davon profitiert. Die Gründe dafür sind noch weitgehend unbekannt.
Zukunftsperspektiven
Derzeit sieht sich die Onkologie mit stetig neuen Erkenntnissen konfrontiert. Fast täglich werden neue Daten aus Studien bekannt, die Zahl der vielversprechenden Substanzen steigt rasant. Bahnbrechende molekularbiologische Einsichten lassen auf eine Vielzahl völlig neuer Ansätze im Bereich der Immuntherapie hoffen. Zu erwarten ist, dass die derzeit auf den Markt kommenden bzw. bereits verfügbaren Substanzen aus der Klasse der sogenannten Checkpoint-Inhibitoren lediglich den Beginn einer neuen Ära in der Krebstherapie einläuten, deren Potenzial nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
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