Aktuelles

Aktuelles

Ordensklinikum Linz

Welche Vorteile hat die Immuntherapie?

Datum: 25.05.2020

Prim. Univ. Prof. Dr. Andreas Petzer (Abeteilungsleiter der Internen I Hämato-Onkologie) erklärt im Gespräch mit netdoktor.at, welche Vorteile eine CAR-T-Zell-Therapie gegenüber einer Chemotherapie hat und wie die CAR-T-Zellen im Labor hergestellt werden.
 

Herr Prof. Petzer, die Immuntherapie eröffnet neue Möglichkeiten in der Krebstherapie, wobei es verschiedene Methoden gibt. Welche Vorteile hat die Immuntherapie gegenüber der Chemotherapie?

Prof. Petzer: Bei der Immuntherapie und bei der Chemotherapie handelt es sich grundsätzlich um zwei völlig unterschiedliche Ansätze, Tumorzellen zu zerstören.

Bei einer Chemotherapie werden diese in der Regel direkt durch das Chemotherapeutikum attackiert, indem dieses in den Stoffwechsel maligner Zellen bzw. in deren Zellteilungsvorgänge eingreift. Die Wirkung kann dabei entweder proliferationshemmend (zytostatisch) und damit auch potentiell reversibel oder irreversibel letal zellabtötend (zytotoxisch) sein. Der Großteil der Chemotherapeutika wirkt am besten auf wachsende (proliferierende), sich teilende Zellen, nur ein kleiner Teil wirkt auch auf ruhende Zellen. Prinzipiell entfalten Chemotherapeutika ihre Wirkung bei allen Zellen eines exponierten Individuums. Da bösartige (maligne) Zellen in der Regel eine höhere Proliferationsrate als gesundes Gewebe aufweisen zeigen Tumorzellen eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Chemotherapeutika. Einzelne Gewebe im Körper wie die Haarwurzelzellen oder die blutbildenden Zellen im Knochenmark weisen jedoch ebenfalls eine hohe Proliferationsrate auf und sind deshalb häufig durch eine Chemotherapie mit betroffen. Daraus erklären sich auch übliche Nebenwirkungen der Chemotherapie wie Haarausfall oder eine Verminderung der weißen Blutzellen mit der damit verbundenen häufigeren Infektneigung.

Der Begriff der Immuntherapie wird mit verschiedenen Therapieoptionen in Zusammenhang gebracht.

Schon länger sind sogenannte "monoklonale Antikörper" in Verwendung. Dabei handelt es sich um künstlich hergestellte Eiweißmoleküle, die ein ganz bestimmtes Merkmal auf Tumorzellen erkennen und dadurch an diese andocken können. Durch dieses Andocken der Antikörper an der Tumorzelle können verschiedene Mechanismen ausgelöst werden: Einerseits kann ein Wachstums-Stopp oder ein programmierter Zelltod (Apoptose) ausgelöst werden. Weiters kann die Tumorzelle durch den Besatz mit Antikörpern aber auch besser für andere Zellen des Immunsystems (sog. Fresszellen und Killerzellen) erkennbar werden, die die Tumorzellen dann attackieren und beseitigen können (Phagozytose). Als 3. Option können die Antikörper einen Mechanismus der „Komplement vermittelten Zytotoxizität“ auslösen. Darunter versteht man einen Vorgang, dass durch die Bindung des Antikörpers an Tumorzellen diese ohne Beteiligung von Effektorzellen durch Faktoren des Komplementsystems (Perforine), welche die Zellmembran schädigen zerstört werden.

Je nach Antikörper ist die eine oder andere Wirkung auf die Tumorzelle vorrangig, häufig ist es jedoch ein Zusammenspiel von zwei oder allen drei Wirkungen mit jeweils unterschiedlicher Ausprägung. Da die Antikörper gezielt Oberflächenmerkmale der Tumorzelle erkennen und dadurch gesundes Körpergewebe, welches diese Merkmale idealerweise nicht aufweist verschont, wird diese Therapie auch als „zielgerichtete Tumortherapie“ bezeichnet. Häufig wird die Therapie mit monoklonalen Antikörpern mit einer klassischen Chemotherapie kombiniert, um einen maximalen Therapieerfolg zu ermöglichen. Man spricht dann von einer "Chemo-Immuntherapie“.

In den letzten Jahren hat die Immuntherapie mit sogenannten "Checkpointinhibitoren“für viel Beachtung gesorgt. Dabei handelt es sich ebenfalls um monoklonale Antikörper, welche gegen Regulatoren des Immunsystems (sogenannte „Checkpoints“) gerichtet sind. Üblicherweise führt die Aktivierung dieser Checkpoints im Rahmen einer Immunreaktion dazu, dass unser Immunsystem nicht überschießend reagiert. Dies führt jedoch im Rahmen einer Aktivierung gegen Krebszellen dazu, dass letztlich das Immunsystem häufig bei der Bekämpfung von Tumoren infolge dieser Blockade versagt. Werden diese Checkpoints jedoch durch monoklonale Antikörper gehemmt, kann das Immunsystem seine volle Wirkung gegenüber Tumorzellen ausüben. Dadurch konnten bei verschiedenen Tumorarten mittlerweile bedeutende Erfolge erzielt werden, beispielsweise bei schwarzem Hautkrebs (Melanom), verschiedenen Formen des Lungenkrebses oder bei Nierentumoren und Blasenkrebs. Die Anwendungsgebiete der Immuntherapie durch Checkpointinhibitoren erweitert sich ständig.

car-t-zelle

In jüngster Zeit hat sich auch eine zelluläre Form der Immuntherapie, die sogenannten "CAR-T-Zell-Therapie“ etabliert, bei der Immunzellen (T-Zellen des Immunsystems) dem Körper des Patienten entnommen werden und im Reagenzglas speziell gegen Oberflächenmerkmale des Tumors, aktuell gegen das CD19 Antigen auf Zellen von Lymphdrüsenkrebs (Lymphomen) oder einer speziellen Form der akuten Leukämie (akute lymphatische Leukämie, ALL des Kindes- und jungen Erwachsenenalters) „scharf“ gemacht werden. Dadurch kann beispielsweise bei Patienten mit "diffus großzelligem B-Zell Lymphom“ (DLBCL), einer besonders aggressiven Form von Lymphdrüsenkrebs nach Versagen von 2 vorangegangenen Therapien in ca. 40% eine langanhaltende Remission über >2 Jahre erzielt werden. Dies ist umso bemerkenswerter, da Patienten in dieser Situation in der Regel bislang keine Option auf eine Heilung und ein mittleres Überleben von nur wenigen Monaten hatten.

 

Für die CAR-T-Zell-Therapie werden körpereigene Immunzellen im Labor „scharf“ gemacht, um Tumorzellen zu bekämpfen. Wie funktioniert das genau?

Prof. Petzer: Bei der CAR-T-Zellen-Therapie werden Immunzellen (T-Zellen des Immunsystems) dem Körper mittels einer speziellen Form der maschinellen Sammlung von Zellen (sog. Apherese) entnommen. Im Anschluss daran werden diese Zellen extern in einem Labor gentechnisch so verändert, dass sie ein Protein, einen sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR) auf ihrer Oberfläche bilden, der gegen krebsspezifische Oberflächenproteine auf den Krebszellen gerichtet ist.

Der Antigenrezeptor stellt dabei eine Chimäre (eigentlich Mischwesen der griechischen Mythologie) zwischen Anteilen eines Antikörpers von sog. B-Zellen des Immunsystems und Anteilen eines Rezeptors von T-Zellen des Immunsystems dar. Die Immunzellen werden also künstlich gegen den Krebs scharf gemacht, indem sie die Krebszellen durch den chimären Antigenrezeptor erkennen, sich an diese binden und diese in weiterer Folge abtöten. Die CAR-T-Zellen werden dem Patienten, nachdem sie zuvor auch noch im Reagenzglas vermehrt wurden, über die Blutbahn dem Patienten zurück infundiert, wo sie sich idealerweise weiter vermehren und zu einer heftigen und lang anhaltenden Immunreaktion gegen den Krebs führen.

 

Quelle: netdoktor.at GmbH