Am 6. und 7. Oktober findet die 34. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik 2017 im Linzer Design Center statt. Der Kongress, zu dem rund 500 renommierte Experten aus dem In- und Ausland erwartet werden, widmet sich der Interaktion von Strahlenmedizin mit der medikamentösen und chirurgischen Tumortherapie. Eines der Hauptthemen ist die Kombination von lokaler Strahlentherapie mit neuen zielgerichteten Substanzen. Weitere medizinische Schwerpunkte sind die Hypofraktionierung in der Behandlung von Brust- und Prostatakrebs sowie die Intraoperative Bestrahlung.
Die Behandlungsmöglichkeiten in der Krebstherapie entwickeln sich rasend schnell. Die auf den einzelnen Patienten individuell abgestimmte Therapie ist derzeit Gegenstand von Wissenschaft und Forschung. Mit den sogenannten zielgerichteten Therapie (targeted therapy) sollen Krebszellen – unter größter Schonung von normalen Geweben – gezielt angegriffen werden. Diese neuen Wirkstoffe richten sich gezielt gegen ausgewählte Angriffspunkte (Targets) der Krebszelle und können so einen Wachstumsstopp des Tumors erreichen. Im Rahmen des Kongresses setzen sich Expertinnen und Experten mit der Frage auseinander, welche Wechselwirkungen es in der Kombination von medikamentöser Therapie und Strahlentherapie gibt. Dazu erklärt ÖGRO-Präsidentin Prim. Univ.-Doz. Annemarie Schratter-Sehn: „Patienten die an Krebs erkranken erfahren in der Regel eine Kombination aus chirurgischer, medikamentöser und radio-onkologischer Therapie. Insbesondere die medikamentöse Therapie steht in Wechselwirkung mit der Bestrahlung. Im Rahmen des Kongresses werden wir die neuesten Forschungsergebnisse gemeinsam diskutieren, um für die Betroffenen das beste Therapieergebnis zu erzielen.“
Hypofraktionierte Bestrahlung bewährt sich
Die Hypofraktionierte Bestrahlungstherapie wird seit 9 Jahren im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern bei Brustkrebs und seit zwei Jahren auch bei Prostatakrebs eingesetzt. Im Prinzip wird hier mit einer erhöhten Dosis die Zahl der nötigen Bestrahlungen um 30 bis 40 Prozent reduziert. Die klinischen Ergebnisse bleiben trotz erhöhter Effizienz und Patientenfreundlichkeit praktisch gleich erfolgreich. „Die Dosis der hochenergetischen Röntgenstrahlen pro Sitzung ist höher, dafür kommen wir mit 15 statt 25 Sitzungen aus. Nur bei Patientinnen unter 50 Jahren wenden wir die Methode aufgrund noch geringer Langzeiterkenntnisse bislang nicht an. Vorsichtig interpretiert kann man die bisherigen Daten so zusammenfassen: Diese Therapie ist gleich effektiv und langfristig etwas besser verträglich als die seit Jahrzehnten Bestrahlungmethode“, erklärt Primarius Univ.-Prof. Dr. Hans Geinitz Vorstand der Radio-Onkologie.
Seit 2015 werden auch infrage kommende Patienten mit Prostatakrebs nach dieser Methode bestrahlt. Hier kann bei gleichem Behandlungserfolg die Zahl der notwenigen Bestrahlungen von 37 auf 20 reduziert werden.
Hypofraktionierung ergibt einen großen Gewinn an Zeit und damit Lebensqualität. Dazu kommen auch ökonomische Aspekte: In gleicher Zeit können durch die eingesparten Sitzungen mit der gleichen Geräteanzahl mehr Patienten bei kürzeren Wartezeiten behandelt werden. Ebenso kommt es beim Fahrtspesenersatz der aus ganz Oberösterreich und dem westlichen Niederösterreich anreisenden Patienten zu deutlichen Kostenreduktionen für die Krankenkassen.
Beim ÖGRO-Kongress ist der Pionier dieser Methode, der Engländer John Yarnold, Ehrengast. Seine Schülerin, Oberärztin Mag. Dr. Elisabeth Bräutigam, hat sie als österreichweite Pionierin in der Radio-Onkologie am Ordensklinikum Linz eingeführt. Mittlerweile wurden an der Abteilung etwa 2.000 Brustkrebspatientinnen mit Hypofraktionierter Strahlentherapie behandelt.
Intraoperative Strahlentherapie IORT mit verbreitertem Anwendungsspektrum
Die IORT ist am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern als einziger Einrichtung in OÖ lokalisiert und steht im Rahmen einer trägerübergreifenden Kooperationsvereinbarung allen onkologisch tätigen Krankenhäusern im Bundesland zur Verfügung.
Die Methode hat sich an der Abteilung laufend weiterentwickelt. Lag der Fokus bei Inbetriebnahme der Anlage vor allem in der Brustkrebstherapie, so wird die Methode in speziellen Fällen nun auch zur Bestrahlung nach Tumorentnahmen in Dick- und Mastdarm, Bauchspeicheldrüse, Prostata, im HNO-Bereich und bei Weichteiltumoren eingesetzt. Diese innovative und fokussierte Form der Bestrahlung erfolgt in Narkose schon während der Operation. Sie erreicht sehr hohe Effektivität, ohne dass zuerst die Erholung von diesem Eingriff oder einer Chemotherapie abgewartet werden müssen. Chirurgen, Strahlentherapeuten, Strahlenphysiker und Narkoseärzte arbeiten beim Eingriff eng zusammen.
Nachdem der Tumor bei der Operation entfernt wurde, kann das Tumorbett an Ort und Stelle fokussiert bestrahlt werden. Ziel ist, eventuell noch verbliebene Tumorzellen, die zu einem Wiederaufflammen der Krebserkrankung führen können, durch hochdosierte Strahlung zu zerstören. Nach exakter Positionierung des Bestrahlungskopfes wird die offen liegende Stelle wenige Minuten lang direkt behandelt. Dadurch wird lokal eine hohe Dosis eingestrahlt – für den Heilungserfolg ist das eine wesentliche Grundlage. Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium erhalten beispielsweise durch diese gezielte Einmalbehandlung nach allen bisher vorliegenden Daten während der OP die gleiche Wirksamkeit im ehemaligen Tumorgebiet wie bei einer herkömmlichen sechswöchigen Strahlentherapie. Gleichzeitig wird gesundes Umgebungsgewebe geschont und benachbarte, besonders strahlenempfindliche Organe können wesentlich besser geschützt werden als bei einer Bestrahlung von außen. Ein wichtiger Vorteil ist auch hier die deutliche verkleinerte Anzahl Therapiesitzungen nach der Operation. Bei kleineren Brusttumoren mit günstiger Prognose kann die IORT überhaupt weitere strahlentherapeutische Behandlungen ersetzen. Auch ein in vielen Fällen verbessertes kosmetisches Ergebnis zählt zu den Pluspunkten der Behandlung.
Herausforderung Fachkräftemangel
Der generelle Mangel an Ärzten und medizinischem Fachpersonal stellt das hochspezialisierte und sehr technische Fach der Radioonkologie vor besondere Herausforderungen. Mit der Kampagne „Fearless Fighters“ soll der dringend benötigte Nachwuchs auf unkonventionelle Weise angesprochen werden. „Fakt ist, dass wir österreichweit wesentlich mehr Ärztinnen und Ärzte für unser Fachgebiet benötigen, als aktuell verfügbar sind oder in Ausbildung stehen. Rechnet man die Ausbildungsdauer dazu, so müssen wir jetzt dringend handeln, um sowohl Mediziner, aber auch qualifizierte Physiker und medizinisch-technische sowie strahlentherapeutische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt anzusprechen und nachhaltig zu binden“, macht ÖGRO-Präsidentin Prim. Univ.-Doz. Annemarie Schratter-Sehn die Notwendigkeit aktiver Mitarbeiteransprache deutlich. Aus diesem Grund ist eine eigene Programmeinheit des Kongresses diesem wichtigen Thema gewidmet. Unter anderem wird mit Experten diskutiert, wie sich die Bedürfnisse der künftigen Mitarbeiter mit den Rahmenbedingungen des Faches Radio-Onkologie am besten treffen können.
Fotos: (Bildquelle: Ordensklinikum Linz / Harrer, Herbe )
Bild 1: Prim. Univ.-Prof. Dr. Hans Geinitz, Tagungspräsident ÖGRO, Vorstand der Abteilung für Radio-Onkologie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern
Bild 2: Intraoperative Bestrahlung
Bild 3: Hypofraktionäre Bestrahlung
Bild 4: Prim. Univ.-Doz. Annemarie Schratter-Sehn, Präsidentin der ÖGRO
Bild 5: Kampagnen-Sujet „Fearless Fighter“