Stammzelltransplantation: Das ist der Weg von den Spender*innen zu den Patient*innen
Leukämie (Blutkrebs), ein multiples Myelom (Krebs des Knochenmarks) oder Lymphomen (Krebs im Lymphsystem) – diese bösartigen Tumorerkrankungen können durch eine Stammzelltransplantation geheilt werden. Welche Kriterien für eine Stammzellspende erfüllt sein müssen und was genau auf die Patient*innen zukommt, erläutern OÄ Priv.-Doz. Dr.in Veronika Buxhofer-Ausch und OA Priv.-Doz. Dr. Johannes Clausen, beide am Ordensklinikum Linz Elisabethinen für die Stammzelltransplantationen zuständig.
Rund 10.000 Oberösterreicher*innen erhalten jährlich eine Krebs-Diagnose. Eine davon ist Lisa Reitbauer (26) aus Haidershofen. Im Alter von 19 Jahren bekam sie die Nachricht: Leukämie. Drei Monate lang war Lisa durchgehend im Spital. Gerettet hat sie schließlich die Stammzellspende ihres Papas, durchgeführt im Ordensklinikum Linz Elisabethinen.
Doch was ist notwendig, damit solch eine Spende überhaupt funktioniert? Zunächst einmal muss man zwischen einer autologen (Spender und Empfänger sind eine Person) und einer allogenen (Familien- und Fremdspender) Stammzellspende unterscheiden. Eine derartige Stammzellgewinnung kann aus dem Blut oder aus dem Knochenmark erfolgen. Welche Form schließlich gewählt wird, hängt von der gesundheitlichen Ausgangssituation der Menschen ab. „Erfolgt die Stammzellentnahme direkt aus dem Knochenmark müssen die Spender*innen in Vollnarkose versetzt werden. Dabei werden rund eineinhalb Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen. Das sind rund fünf Prozent des Gesamtknochenmarks. Dieses regeneriert sich innerhalb weniger Wochen. In Summe kommen an unserem Zentrum rund 20 Prozent der Spenden aus dem Knochenmark“, weiß OÄ Priv.-Doz. Dr.in Veronika Buxhofer-Ausch, zuständig für die Zellsammlung und Spender*innenbetreuung am Ordensklinikum Linz Elisabethinen.
Für den überwiegenden Teil der Spender*innen geht es an die Apherese-Maschine. Diese filtert die Stammzellen aus dem Blut heraus und gibt alle nicht benötigten Blutzellen wieder in den Blutkreislauf zurück. Unter ärztlicher Aufsicht dauert dieser Prozess zumeist bis zu vier Stunden. Das dabei entstandene „Produkt“ kommt anschließend sofort zu den Mitarbeiter*innen der Gewebebank. Das Besondere: Am Ordensklinikum Linz befindet sich Österreichs einziges Zentrum, in dem sich EINE Abteilung um sämtliche Abwicklungsschritte wie die Gewinnung der Zellen, das Prozessieren und auch die Patient*innen-Betreuung kümmert.
„Wir besitzen in diesem spitzenmedizinischen Bereich mit mehr als 2.000 Stammzelltransplantationen eine sehr hohe Expertise. Diese Kernkompetenz kommt unseren Patient*innen in allen Aspekten einer patientenorientierten Betreuung zugute. Auch das nationale Stammzelltransplantationsregister befindet sich seit kurzem am Ordensklinikum Linz Elisabethinen. Dies ist ebenfalls eine besondere Auszeichnung für die hervorragende Arbeit, die in unserer Abteilung geleistet wird“, so Prim. Doz. Dr. Holger Rumpold, Vorstand der Abteilung für Hämatologie und medizinischer Onkologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen/Barmherzige Schwestern.
Nach einem Check sowie Probenentnahme geht es für die Stammzellbeutel, die für die Eigenspende verwendet werden, in den Keller. „In mehreren Stickstofftanks werden sie bei minus 196 Grad eingefroren. Dort bleiben die Stammzellen, bis sie die Patient*innen benötigen“, sagt OA Priv.-Doz. Dr. Johannes Clausen, medizinischer Leiter des Bereichs Stammzelltransplantation an der Abteilung Interne 1 am Ordensklinikum Linz Elisabethinen.
Stammzelltransplantationen am Ordensklinikum Linz 2024
- Gesamt: 149
- Autolog: 57
- Allogen (verwandt oder unverwandt): 64
- CAR-T: 28
Werden sie nach einer Hochdosischemotherapie benötigt, müssen die Beutel aufgetaut und rasch verabreicht werden. „Innerhalb einer halben Stunde sollten die Stammzellen transplantiert werden. Bei der Eigenspende dienen die Stammzellen der schnelleren Blutbildregeneration. Die Stammzellen brauchen ein paar Tage, bis sie im Knochenmark angewachsen sind und sich das Blutbild wieder erholt“, so die Mediziner. Bei Familien- und Fremdspender*innen werden die Stickstofftanks meistens nicht benötigt, da die Stammzellen den Patient*innen üblicherweise noch am selben Tag verabreicht werden.
Bis zu fünf Wochen nach Transplantation im Spital
Allogene Stammzelltransplantationen kommen für Menschen in Frage, deren bösartige Erkrankung von Blut, Knochenmark oder Lymphknoten durch eine alleinige medikamentöse Therapie oder Bestrahlung langfristig eine geringe oder keine Heilungschance haben. Im Idealfall werden Spender*innen gefunden, bei denen zehn von zehn speziellen Merkmalen (HLA- System) an Körperzellen übereinstimmen. „Mit den heutigen Methoden sind aber auch Transplantationen mit nur 50-prozentiger Übereinstimmung ohne vermehrte Komplikationen möglich“, so OA Priv.-Doz. Dr. Clausen. Gibt es keine passenden Familienmitglieder bleibt noch die Fremdspende. Potenzielle Spender*innen werden über ein Register gesucht. Zwei bis vier Wochen vor der Spende ist ihre Voruntersuchung eingeplant. Sie besteht unter anderem aus einer Anamnese, einer körperlichen Untersuchung mit EKG, Ultraschall, Blutabnahme mit der Bestimmung der Laborwerte. Sollten die möglichen Spender*innen vorab unerwartet doch wieder zurücktreten, kann das erhebliche Konsequenzen für den Erkrankten haben. OÄ Priv.-Doz. Dr.in Buxhofer-Ausch: „Es kann dann sein, dass wir den Eingriff komplett neu planen müssen. Die Patient*innen verlieren dadurch wertvolle Zeit.“
Nach einer Stammzelltransplantation ist in der Regel ein Krankenhausaufenthalt von drei bis fünf Wochen notwendig. „Bei der allogenen Transplantation dauert es etwas länger bis die Stammzellen anwachsen. Die Patient*innen sind bei uns auf der Isolierstation und müssen auch danach zu Hause besonders aufpassen. Größere Veranstaltungen sollten auf jeden Fall gemieden werden. In der Anfangszeit ist eine wöchentliche Nachsorge im Spital erforderlich“, sagt OA Priv.-Doz. Dr. Clausen. Zudem müssen Immunsuppressiva üblicherweise für sechs Monate, teilweise aber auch darüber hinaus eingenommen werden, damit das transplantierte Immunsystem einerseits nicht abgestoßen wird, und andererseits nicht den Empfänger angreift, den es ja zunächst als „fremd“ erkennt. Diese Abwehrreaktion gilt es zu unterdrücken.
Wenn die ersten Jahre ohne Rückfälle überstanden wurden, gilt man in der Regel als geheilt. So auch Lisa Reitbauer, die mehr als sieben Jahre nach ihrer Stammzelltransplantation gesund ist und mit beiden Beinen im Leben steht. Das jährliche Wiedersehen bei den Kontrollterminen rührt auch ihren behandelnden Arzt, OA Priv.-Doz. Dr. Clausen. Er sagt: „Sie ist ein unglaublich starker Charakter.“
41,8 Millionen potenzielle Stammzellspender*innen:
Ein Eintrag in einem Spenderregister ist in Österreich zwischen 18 und 35 Jahren möglich. Weltweit stehen 41,8 Millionen typisierte potenzielle Stammzellspender*innen (Stand: 1. März, 2024) für nichtverwandte Stammzellspenden zur Verfügung. In Österreich beläuft sich die Zahl auf rund 300.000.
Weitere Informationen:
- Häufige Fragen zur Stammzellspende (Rotes Kreuz Wien)
- Registrierung als Stammzellspender*in (Rotes Kreuz Wien)
Fotos: (Credit: Ordensklinikum Linz)
Bild 1: v.l.: OA Priv.-Doz. Dr. Johannes Clausen, OÄ Priv.-Doz. Dr.in Veronika Buxhofer-Ausch (beide zuständig für die Stammzelltransplantation am Ordensklinikum Linz Elisabethinen), Prim. Priv.-Doz. Dr. Holger Rumpold (Vorstand der Abteilung für Hämatologie und medizinischer Onkologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen/Barmherzige Schwestern).
Bild 2: OA Priv.-Doz. Dr. Johannes Clausen und OÄ Dr.in Veronika Buxhofer-Ausch prüfen einen aktuellen Fall.
Bild 3: OA Priv.-Doz. Dr. Johannes Clausen
Bild 4: OÄ Priv.-Doz. Dr.in Veronika Buxhofer-Ausch
Rückfragen für Journalist*innen:
Michael Prieschl
Tel. +43 664 8190795
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